logo
logo

KI in der psychologischen Beratung – Potenzial oder Problem?

KI in der psychologischen Beratung – Potenzial oder Problem?

Es ist Mitternacht. Sie fühlen sich überfordert. Niemand ist mehr wach, bei dem Sie sich aussprechen könnten. Also öffnen Sie eine App. „Wie geht es dir?“ fragt der Chatbot. Sie zögern kurz – und tippen los.

Was nach Zukunft klingt, ist für viele Menschen längst Realität. KI-gestützte Beratungstools boomen. Chatbots wie Wysa, Woebot oder Kintsugi versprechen mentale Unterstützung rund um die Uhr – mit freundlicher Ansprache, automatisierten Rückfragen und einer auf Algorithmen basierenden Gesprächsführung. Doch wie hilfreich sind diese Tools wirklich? Und wann braucht es mehr als nur digitale Begleiter?

1. Technologie im Vormarsch: Was KI (heute schon) kann

Künstliche Intelligenz hat längst Einzug gehalten in den Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung. In digitalen Coachings, Chatbots oder Therapie-Apps übernimmt sie Aufgaben, die früher ausschließlich bei Menschen lagen: zuhören, analysieren, Feedback geben. In Ländern wie den USA oder Großbritannien gehören KI-gestützte Tools wie Wysa, Woebot oder Kintsugi bereits zur gesundheitlichen Grundversorgung. Besonders Wysa verzeichnet eine starke Verbreitung: Die App wird aktuell von über 6 Millionen Menschen weltweit genutzt, in insgesamt 95 Ländern. Durch Unternehmens- und Versicherungsverträge haben nach eigenen Angaben der Plattform sogar bereits 11 Millionen Menschen Zugriff darauf.

Die Vorteile solcher Tools liegen in ihrer ständigen Verfügbarkeit, der niedrigen Hemmschwelle in der Nutzung und der Tatsache, dass sie skalierbar und damit auch kostengünstig sind. Gerade Menschen, die nachts wachliegen, sich einsam fühlen oder sich (noch) nicht trauen, mit einem Menschen über ihre Sorgen zu sprechen, greifen auf diese digitalen Begleiter zurück. Häufig werden sie in Bereichen wie Stressbewältigung, Schlafregulation, Selbstreflexion oder Psychoedukation (Vermittlung von Wissen über Ursachen, Symptome, Verlauf und Behandlung psychischer Erkrankungen) eingesetzt. Für viele sind sie ein erster Schritt – ein digitaler Anker in stürmischen Zeiten.

2. Aber: Grenzen der KI in der psychologischen Beratung

Trotz aller Fortschritte bleibt eines klar: Die Möglichkeiten von KI in sensiblen Beratungssituationen sind begrenzt. Eine KI mag freundliche Sätze formulieren, doch echte Empathie bleibt eine Illusion. Denn Mitgefühl (die wichtigste Voraussetzung für Entlastung und Heilung) entsteht keinesfalls durch Algorithmen, sondern nur im zwischenmenschlichen Kontakt. Hinzu kommt, dass KI den Kontext nicht kennt. Sie kann nicht erfassen, welche biografischen Erfahrungen hinter einem Satz stehen oder wie ein bestimmtes Wort bei einem Menschen wirkt. Auch die Frage nach dem Datenschutz ist heikel: Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen überhaupt – und nicht immer ist transparent, wo diese gespeichert werden, wer Zugriff hat oder wer im Ernstfall Verantwortung übernimmt. Besonders kritisch wird es, wenn KI-gestützte Beratung an Grenzen stößt, die sie nicht erkennt: Wenn etwa eine akute Krisensituation entsteht und keine menschliche Intervention erfolgt. In solchen Fällen wird die Illusion von Sicherheit zur echten Gefahr.

3. Warum echte Menschen unersetzlich bleiben

Wer sich mit psychischen oder emotionalen Belastungen an einen Menschen wendet, sucht mehr als nur strukturierte Antworten – er sucht Resonanz. Dieses Gefühl, wirklich gesehen und verstanden zu werden, entsteht nur im menschlichen Gegenüber. Es ist geprägt von Beziehung, Vertrauen und gegenseitiger Achtsamkeit. Professionelle Berater*innen können zuhören, nachfragen, innehalten, Emotionen spiegeln. Sie erkennen, wenn Worte fehlen oder wenn zwischen den Zeilen etwas mitschwingt, das bedeutsam ist. Und sie übernehmen Verantwortung – für die Gesprächssituation ebenso wie für die weitere Begleitung. Gerade in Krisen, bei tiefgreifenden Lebensfragen oder in existenziellen Momenten braucht es jemanden, der nicht nur reagiert, sondern mitgeht. Veränderung entsteht nicht allein durch Information, sondern durch Beziehung. Und diese bleibt – bei aller technologischen Entwicklung – zutiefst menschlich. Keine KI der Welt geht in Beziehung mit uns. Das können nur Menschen.

4. Fazit: Unsere Haltung bei awo lifebalance

Wir bei awo lifebalance beobachten die technologischen Entwicklungen aufmerksam – und begrüßen Innovationen, die Menschen entlasten können. Gleichzeitig sind wir überzeugt: KI kann unterstützen, aber nicht ersetzen.

Deshalb arbeiten unsere Lebenslagen-Coaches – erfahrene Psycholog*innen, Therapeut*innen und Coaches – persönlich, empathisch und professionell. Sie beraten vertraulich in belastenden beruflichen oder privaten Situationen, bei psychischen Belastungen, in Lebenskrisen oder bei gesundheitlichen Fragen – persönlich, telefonisch oder digital. Und: Sie sehen die Menschen, nicht nur die Daten.

KI kann viel. Aber nicht alles.

Sie ist ein guter Anfang. Aber sie ersetzt nicht das offene Ohr, die feine Wahrnehmung und die kluge Begleitung durch einen Menschen, der zuhört und mitgeht.