logo
logo

Fachartikel: Keine Sorge, wir haben da was …

So gelingen Roll-out und Refresh von Employee Assistance Programs (EAP) in Unternehmen

Leistungen eines Employee Assistance Programs (EAP) entlang der Mitarbeitendenreise aktiv anbieten

Was sich hinter der Abkürzung EAP verbirgt und wie vielfältig die Möglichkeiten sind, Beschäftigte mit Employee Assistance Programs unter anderem in herausfordernden Lebenslagen zu unterstützen, hat sich in den HR-Abteilungen der Corporate World und der größeren Mittelständler herumgesprochen. Arbeitnehmer*innen können jedoch bis heute meist weder mit dem Begriff noch dem dahinter stehenden Konzept viel anfangen. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, die einzelnen Leistungen eines EAP den Beschäftigten immer wieder zu erklären und aktiv anzubieten. Nur so wird ein EAP wirklich genutzt und nur so kann es im vollen Umfang seinen Beitrag zur Mitarbeitendenloyalität und zum Employer Branding leisten. Um EAP-Leistungen effektiv kommunizieren zu können, bietet sich die „Employee Journey“, also die Mitarbeitendenreise von der Bewerbung bis zum Ausscheiden, als Framework an.

Mal angenommen, die IT-Abteilung eines großen Unternehmens führt einen neuen Teamkalender ein. Die Software ist mega nützlich und läuft smooth. Doch nach der erfolgreichen Implementierung glauben die IT-Leute, ihren Job bereits gemacht zu haben. Niemand im Unternehmen erfährt von dem Kalender – und deshalb nutzt ihn auch niemand. Ein realitätsfernes Szenario, oder? Bei der Einführung von Software gehören Kommunikation und Schulungsangebote stets selbstverständlich mit dazu. Im Gegensatz dazu läuft die Implementierung von Employee Assistance Programs manchmal tatsächlich nach dem beschriebenen Muster. Alles ist vorhanden, doch die Beschäftigten erfahren nicht oder nicht vollständig, was das arbeitgebende Unternehmen für sie zu tun bereit ist.

EAP-Leistungen entfalten jedoch nur dann ihre volle Wirkung, wenn sie den Beschäftigten gut erklärt und immer wieder aktiv angeboten werden. Wie lässt sich dieser Kommunikationsprozess sinnvoll strukturieren und systematisch abarbeiten? Die Employee Journey ist hier ein nützliches Framework, zumal es neben der Kommunikation auch die Planung, Beauftragung und Implementierung von EAP-Leistungen unterstützt. Im Idealfall gibt es in einem Unternehmen vielfältige EAP-Angebote während der gesamten Mitarbeitendenreise – vom Recruiting und Onboarding über die Weiterentwicklung im Unternehmen bis zum Offboarding.

Positive Erfahrungen entlang der Mitarbeitendenreise

Genau wie diverse andere HR-Werkzeuge ist auch die Employee Journey aus dem Marketing entlehnt. Dort spricht man schon länger von einer „Reise“ der Kund*innen, die von der ersten Aufmerksamkeit für ein Unternehmen über den Kauf und die Anwendung eines Produkts bis zum Ende der Beziehung reicht. Und genau wie bei dieser „Customer Journey“ geht es auf der gemeinsamen Reise von Arbeitgebenden und Beschäftigten darum, an bestimmten „Touchpoints“ für positive Erfahrungen zu sorgen. So kommen auch Angebote für Beschäftigte ins Spiel. Ein effektives Employee Experience Management stellt entlang der Mitarbeitendenreise sicher, dass an geeigneten Kontaktpunkten immer wieder auf interne wie externe Leistungen für die Mitarbeiter*innen hingewiesen wird.

Die einzelnen Phasen der Employee Journey sind in Literatur und Unternehmenspraxis uneinheitlich definiert. Für die Zwecke dieses Artikels lege ich folgende, recht verbreitete Einteilung zugrunde:

1.     Recruiting

2.     Pre-/Onboarding

3.     Produktivität im Unternehmen

4.     Weiterentwicklung und Karriere

5.     Offboarding

In allen diesen fünf Phasen lassen sich EAP-Dienstleistungen erklären und aktiv anbieten. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass sich für Beschäftigte bedeutsame Momente ergeben, die eine emotionale Bindung an das Unternehmen zunächst etablieren und später schrittweise vertiefen.

Phase 1: Recruiting

Bislang weisen Unternehmen erst selten im Bewerber*innen-Marketing auf ihre EAP-Leistungen hin. Dabei lassen sich diese bereits hier als Vorteile für zukünftige Mitarbeitende herausstellen, am besten anhand einzelner prägnanter Beispiele. Bietet das Unternehmen z. B. viel im Bereich der Kinderbetreuung, so sind kleine Storys oder auch Testimonials in Employer-Branding-Kampagnen hilfreich. Über „Leuchttürme“, wie beispielsweise eigene Spielzimmer oder inklusive Projekte, lässt sich im Rahmen der PR oder über Social-Media-Kanäle sogar noch etwas ausführlicher berichten.

Das Job-Interview bietet meist die erste Gelegenheit, mit potenziellen Mitarbeitenden persönlich über EAP-Leistungen zu sprechen und damit das Unternehmen als attraktiv darzustellen. Auch dies gelingt besonders gut über Beispiele und Storytelling. Ein Bewerbungsgespräch bietet oft genügend Raum, um als Recruiter*in einfach einmal anonymisiert eine kleine Geschichte von einer Mitarbeiterin zu erzählen, die dank EAP eine anspruchsvolle Lebenssituation meistern konnte. Auch alles rund um Kinder, Gleichstellung und Diversity eignet sich bestens für positives Storytelling. Tipp: Mehrere kleine Geschichten vorbereiten und einzelne davon in Job-Interviews platzieren.

Phase 2: Pre-/Onboarding

Beim Pre- und Onboarding können EAP-Leistungen den neu an Bord kommenden Beschäftigten bereits detaillierter und idealerweise auch in schriftlicher Form vorgestellt werden. Die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags bei einem Präsenztermin bietet die ideale Gelegenheit, um Info-Materialien über die einzelnen Leistungen, ihre Anspruchsberechtigten sowie die Kontaktdaten der Hotline zu überreichen. Für eine positive Überraschung können Unternehmen sorgen, wenn Beschäftigte in der Preboarding-Phase zwischen Unterzeichnung des Arbeitsvertrags und erstem Arbeitstag bereits das gesamte Paket in Anspruch nehmen dürfen – einschließlich der Leistungen bei der Kinderbetreuung.

Auch wer im Rahmen des Jobwechsels umziehen und eventuell für seine Kinder neue Betreuungsplätze oder geeignete Schulen finden muss, kann dazu bereits EAP-Leistungen angeboten bekommen. So rollt das Unternehmen den roten Teppich aus. Während des eigentlichen Onboardings ist es sinnvoll, noch einmal besonders auf die Möglichkeit eines Lebenslagencoachings hinzuweisen. Denn Jobwechsel, besonders in Verbindung mit Wohnortwechseln, bringen neben Aufbruchstimmung immer wieder auch emotionale Belastungen mit sich. Coaching kann außerdem dabei helfen, Konflikte mit anderen Teammitgliedern während der Einarbeitungsphase zu bewältigen oder Schmerz über den Verlust des alten Arbeitsplatzes zu verarbeiten und mit der Vergangenheit abzuschließen.

Phase 3: Produktivität im Unternehmen

Ist die Probezeit erst einmal bestanden, beginnt die eigentliche Phase der Produktivität eines oder einer Beschäftigten im Unternehmen. EAP-Dienstleistungen tragen jetzt einiges dazu bei, die Leistungsfähigkeit und das Engagement von Mitarbeiter*innen zu erhalten. Das reicht von der Kinderbetreuung über Hilfe bei Pflegefällen in der Familie bis hin zur Unterstützung in emotional belastenden Situationen, wie etwa Trennung und Scheidung. Damit EAP-Angebote tatsächlich in Anspruch genommen werden, ist es wichtig, dass sie im Bewusstsein der Beschäftigten bleiben und niedrigschwellig sind. In Gesprächen mit Vorgesetzten, durch Poster auf Fluren und in Gemeinschaftsräumen oder durch Flyer zu speziellen Themen bleiben die Möglichkeiten in Erinnerung.

Give-aways, die über den EAP-Dienstleister bezogen werden, erinnern wirkungsvoll an die Unterstützungsangebote. Ist die Nummer der EAP-Hotline auf einer Bürotasse oder einem Kugelschreiber aufgedruckt, sorgt das nicht nur für Sichtbarkeit, sondern signalisiert auch Niedrigschwelligkeit. Kommen innerhalb eines bestehenden EAP neue Angebote hinzu, empfiehlt es sich, diese im Rahmen der internen Unternehmenskommunikation bekannt zu machen. Dafür eignen sich wiederum Flyer, aber auch Artikel im Intranet, Newsletter oder Infoveranstaltungen. Ohnehin geplante Veranstaltungen, wie Betriebsversammlungen oder Gesundheitstage, lassen sich ebenfalls für diesen Zweck nutzen.

Phase 4: Weiterentwicklung und Karriere

EAP-Dienstleistungen als Booster für Weiterentwicklung und Karriere? Das ist vor allem für Frauen ein Riesenthema! Heute noch bleibt Frauen häufig der Weg in Führungspositionen versperrt, weil sich keine passende Lösung für die Kinderbetreuung findet. Unternehmen vergrößern ihren Pool von Führungstalenten, wenn sie Frauen bei jedem Karriereschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen. Neben der HR-Abteilung können auch Vorgesetzte, Gleichstellungsbeauftragte oder der Betriebsrat in persönlichen Gesprächen auf die Möglichkeiten hinweisen, die sich hier dank EAP bieten. Herausforderungen durch Pflege in der Familie werden ebenfalls mehrheitlich von berufstätigen Frauen gestemmt. Nicht allein Flyer, sondern z. B. auch Initiativen wie das Pflegenetzwerk im Unternehmen, können hier bereits proaktiv auf Unterstützungsangebote hinweisen.

Mitarbeitende sämtlicher Geschlechter, mit und ohne Kinder, stoßen mitunter auf Hürden, die ihrer Weiterentwicklung im Unternehmen im Weg stehen. Sobald Vorgesetzte merken, dass Beschäftigte nur zögerlich mehr Verantwortung übernehmen, können sie diese in einem vertrauensvollen Gespräch darauf hinweisen, dass es die Möglichkeit eines Lebenslagencoachings gibt, falls im persönlichen Umfeld etwas belastet oder hindert. Manchmal schrecken Beschäftigte auch vor dem nächsten Karriereschritt zurück, weil dieser mit einem Umzug oder mit Reisen ins Ausland verbunden wäre. Hier können im Rahmen von EAP sowohl psychische als auch familiäre und praktische Hinderungsgründe besprochen und schließlich beseitigt werden.

Phase 5: Offboarding

Auf der letzten Etappe der Mitarbeitendenreise kann es für einzelne Beschäftigte nötig sein, die eigene Situation intensiv zu reflektieren und eigenständig neue berufliche Perspektiven zu entwickeln. Ein Lebenslagencoaching hilft dabei, mit der häufig belastenden Situation der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gut umzugehen und den Fokus auf die Zukunft zu richten. Sowohl Vorgesetzte als auch HR-Abteilung oder Betriebsrat können diese Möglichkeit aktiv ins Spiel bringen. Das gilt besonders, wenn aufgrund einer Restrukturierung oder eines Mergers eine größere Anzahl von Beschäftigten auf einmal betroffen ist.

Der oder die von einem Dienstleister beauftragte Coach*in ist beim Offboarding eine neutrale Instanz, mit der sich emotional belastende Aspekte rund um das Ausscheiden aus dem Unternehmen offen ansprechen und bearbeiten lassen. Beim Offbording geht es immer auch um den letzten guten Eindruck, den Beschäftigte von einem Unternehmen mitnehmen – und zwar selbst dann, wenn das Ausscheiden nicht freiwillig erfolgt. In Nordamerika ist es schon länger üblich, ehemalige Beschäftigte als „Alumni“ anzusehen, mit denen das Unternehmen in Kontakt bleibt und die im Idealfall positive Botschafter*innen der Marke sind. Die Weichen hierfür werden durch ein erfolgreiches Offboarding gestellt.

Fazit

Die Employee Journey bietet einen zieldienlichen Orientierungsrahmen, um EAP-Dienstleistungen nicht allein strategisch zu planen und zu implementieren, sondern auch immer wieder an die Beschäftigten zu kommunizieren. Die in diesem Artikel erwähnten Touchpoints zwischen Unternehmen und Mitarbeiter*innen und die genannten Angebote sind dafür lediglich Beispiele. Sie zeigen, wie EAP-Dienstleistungen im Idealfall die gesamte Mitarbeitendenreise unterstützen. Dazu ist es stets hilfreich, die Perspektive der Beschäftigten einzunehmen, die selten von dem ihnen wenig vertrauten Konzept EAP her denken, sondern von einzelnen Situationen ausgehen, die sie unmittelbar betreffen.

Alles zum Thema EAP findet sich in meinem neuen Buch „Engagierte Mitarbeitende mit EAP: Wie Employee Assistance Programs Beschäftigte effektiv binden“. Erschienen im Wiley-Verlag, 2024. 242 Seiten, gebunden, 29,99 €